12.12.2024
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Big Data und Predictive Maintenance: Zustandsbasierte Instandhaltung im Schienenverkehr05.07.2024
Steigende Verkehrsleistung und ein über Jahrzehnte geschrumpftes Schienennetz: Die deutsche Schieneninfrastruktur gilt als hochbelastet. Eine zustandsbasierte Instandhaltung könnte helfen, auf Basis von Daten zum Schienenzustand, passgenaue Maßnahmen schneller und vor allem gezielter einzuleiten.
Im Rahmen der BMDV-Innovationsinitiative mFUND arbeiten aktuell verschiedene Forschungsprojekte an innovativen Technologien zur zustandsbasierten Instandhaltung des Schienenverkehrs.
In den letzten 30 Jahren ist die Verkehrsleistung auf deutschen Schienen enorm gestiegen: Beim Personenverkehr um knapp 47 Prozent, und im Güterverkehr sogar um rund 80 Prozent. Gleichzeitig ist das Schienennetz jedoch um etwa 12 Prozent geschrumpft. Die Infrastruktur gilt somit als hochbelastet: Es kommt zu Störungen und Baustellen – die Pünktlichkeit leidet massiv.
Mit einem neuen Instandhaltungskonzept will nun die Deutsche Bahn die Verfügbarkeit, Kapazität und den Zustand der Schieneninfrastruktur digitalisieren, automatisieren und damit langfristig optimieren. Gleichzeitig soll den Zugausfällen entgegenwirkt werden, indem Fahrzeuginstandhaltungsprozesse frühzeitiger in Gang gesetzt und Fahrzeugflotten zur besseren Zustandsüberwachung digitalisiert werden.
Mit der Innovationsinitiative mFUND fördert das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) verschiedene Projekte, die an datengestützten Methoden zur vorausschauenden Wartung von Schienenfahrzeugen und -infrastruktur forschen.
Es gibt drei unterschiedliche Instandhaltungsstrategien: Hierzu zählen die korrektive Wartung, die präventive Wartung und sogenannte zustandsbasierte Instandhaltung. Während die korrektive Wartung erst im Falle von Störungen erfolgt, verläuft die präventive Wartung zyklisch. Allerdings verursachen hier zu kurze Zyklen unnötig hohe Wartungskosten, während man bei zu langen Zyklen kostspielige Ausfälle riskiert.
Die dritte Strategie ist die zustandsbasierte Instandhaltung, auch Predictive Maintenance genannt. In diesem Fall erfolgt eine automatische Zustandserfassung der Anlagen oder Fahrzeuge per Fernüberwachung. Diese Echtzeitdaten werden mit Daten aus weiteren Systemen wie zum Beispiel Betriebsdaten angereichert, mit Künstlicher Intelligenz (KI) analysiert und aufbereitet. Das Ergebnis unterstützt Instandhaltungsplanende bei ihren Entscheidungen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Instandhaltungsmaßnahmen werden nur dann durchgeführt, wenn sie wirklich erforderlich sind. Das hat ein verbessertes Wartungsmanagement mit einer effizienteren Personal- und Materialeinsatzplanung zur Folge – was die zustandsbasierte Wartung zur Strategie der Wahl macht.
Im mFUND-Projekt AIFRI untersuchen daher Forschende, ob KI zur zustandsbasierten Wartung der Schieneninfrastruktur erfolgreich eingesetzt werden kann. Üblicherweise wird der Schienenzustand durch regelmäßige Inspektionsfahrten untersucht. Die dabei erhobenen Mess- und Prüfdaten lassen jedoch selten genaue Rückschlüsse auf die tatsächlichen Fehlerbilder und deren Ausmaße zu. Zudem werden diese Daten bislang noch nicht automatisiert ausgewertet.
Konkret entwickelt das AIFRI-Forschungsteam ein IT-Werkzeug, das eine effiziente Nutzung der erhobenen Daten ermöglichen und den gesamten Prozess – von der Datenerfassung über die Analyse bis hin zur Entscheidungsfindung und Visualisierung – unterstützen soll. Dazu erhebt die Technologie Daten, detektiert daraus Fehlerbilder, klassifiziert sie und bewertet die Schädigungstiefe. Die Datenanalyse erfolgt mittels KI-Verfahren. Eine bessere Kenntnis des Schienenzustands, eine genauere Klassifikation der Fehler und eine gezielte Maßnahmenplanung ermöglichen eine optimierte Instandhaltung der Schienen. Das legt die Grundlage für zustandsbasierte Instandhaltung und erhöht die Verfügbarkeit der Schieneninfrastruktur bei gesenkten Lebenszykluskosten.
Aber auch bei der zustandsbasierten Instandhaltung von Personenverkehrszügen kann KI sinnvoll unterstützen: Die im mFUND-Projekt ESPEK Forschenden gehen der Frage nach, ob sich insbesondere sicherheitsrelevante und tragende Bauteile und Verbindungen von Schienenfahrzeugen automatisiert und computergestützt auf Schadstellen untersuchen lassen. Dazu sammeln sie umfangreiche Bilddaten zahlreicher Schadklassen, mit denen sie eine KI trainieren. An Werkshalleneinfahrten installierte Kameras scannen einlaufende Züge, damit die KI automatisch etwaige Schäden ermitteln kann. Das Forschungsteam untersucht zudem, ob generative KIs in der Lage sind, bisher noch nicht dokumentierte oder neuartige Schadmuster als Anomalie zu erkennen.
Die Vorteile dieser automatisierten Erkennung von Schadmustern an Schienenfahrzeugen sind vielfältig: Die datengestützte Entscheidungsgrundlage ermöglicht es, Schwachstellen zu erkennen, bevor Schäden entstehen. Störungen können nicht nur schneller, sondern auch kostengünstiger beseitigt werden. Die effizienten Instandhaltungsmaßnahmen erhöhen Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Fahrzeuge und reduzieren so nicht nur Zugausfälle, sondern auch den Bedarf an Ersatzfahrzeugen. Der Betriebsablauf wird seltener gestört, der Schienenverkehr läuft reibungsloser.
Zustandsbasierte Instandhaltung der Schieneninfrastruktur verlängert schließlich die Lebensdauer der Anlagen, steigert die Kapazitäten auf der Schiene, verbessert die Verfügbarkeit der Netze und ermöglicht eine bedarfsgerechte Disposition von Service-Trupps.