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Verkehrsbetriebe

Bundestag: Mehr Investitionen in die Schiene gefordert
16.05.2019

Von: Lok Report


In die Schieneninfrastruktur muss aus Sicht von Experten deutlich mehr investiert werden als bislang geplant. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses zu Anträgen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD (19/9918), der AfD-Fraktion (19/7941), der FDP-Fraktion (19/6284), der Fraktion Die Linke (19/7024) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/7452) am Montagnachmittag deutlich.


Die in den letzten Jahren auf Verschleiß gefahrene Schieneninfrastruktur sei nicht in der Lage, die anvisierten Ziele einer stärkeren Verlagerung des Güterverkehrs von der Straßen auf die Schiene und einer weiteren Erhöhung der Fahrgastzahlen im Fernverkehr zu tragen, hieß es bei der Anhörung. Am Beispiel Schweiz wurde aufgezeigt, wie es gelingen könnte, den Verkehrsträger Schiene zu stärken.

Matthias Gather, Professor für Verkehrspolitik und Raumplanung an der Fachhochschule Erfurt, kritisierte, sehenden Auges seien in den vergangenen Jahren die Investitionen in den Erhalt der Schieneninfrastruktur unterlassen worden. Für dieses "irgendwie wird es schon gehen", habe man nun die Rechnung auf dem Tisch. Wie hoch die Investitionen sein müssten sei unklar, da nicht nur die Versäumnisse der Vergangenheit aufgeholt werden müssten, sondern auch der Deutschlandtakt 2030 und die weitere Elektrifizierung von Bahnstrecken anstünden, sagte Gather. Ganz klar ist aus seiner Sicht, dass es "völlig sinnlos" ist, dem Infrastrukturbetreiber eine Gewinnerzielungsabsicht aufzubürden. Dennoch sollte langfristig ein volkswirtschaftlicher Nutzen der Investitionen nachgewiesen werden.

Andreas Geißler vom Verein "Allianz pro Schiene" begrüßte es, dass der Bund inzwischen über die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) mehr Geld in die Instandhaltung investiere und auch die Mittel für Aus- und Neubau gestiegen seien. Wolle man wirklich mehr Verkehr auf die Schiene bekommen, sei das aber nicht ausreichend. "Wir gehen von einem Wert von zehn Milliarden Euro aus", sagte er. Zugleich sprach sich Geißler für eine Erweiterung der Laufzeit der LuFV von derzeit fünf auf zehn Jahre aus. Damit könne die Planungssicherheit erhöht und der Mittelabfluss verbessert werden.

Seit der Bahnreform 1994 gebe es 50 Prozent mehr Transport auf der Schiene, aber zugleich ein geschrumpftes und gealtertes Schienennetz, sagte Alexander Kirchner von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Die Instandhaltungsaufwendungen, die aus den Trassenpreisen erzielt werden sollten, seien in der Folge drastisch angestiegen. Kirchner machte deutlich, dass Ziele wie die Verdoppelung des Personenverkehrs oder die Steigerung des Anteils im Schienengüterverkehr auf 25 Prozent mit der Bestandsinfrastruktur nicht erreichbar seien. "Dazu müssen wir in den Ausbau der Knoten investieren, ebenso wie in Neu- und Ausbaustrecken, um mehr Kapazitäten zu erhalten", sagte er. Der derzeitige Finanzierungsrahmen reiche dazu nicht aus, urteilte Kirchner.

 

 

Claus Weselsky von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer sagte, im Bahnkonzern sei eine "innere Umstrukturierung sinnvoll und richtig". Die drei Bereiche, DB Netz, DB Energie und DB Station & Service, müssten in einer einzigen Organisationseinheit zusammengeführt werden, forderte er. Eine Heraustrennung der Infrastruktur aus dem Konzern lehnte Weselsky ab, da der Verbleib eine Vielzahl von Vorteilen ermögliche. Dazu gehörten die Transparenz der Mittelzuflüsse und Investitionen sowie der Finanzierungskreisläufe im Bereich der gesamten Infrastruktur. Statt einer Aktiengesellschaft, die systemisch auf eine Gewinnerzielung abziele, sei die gemeinnützige GmbH ein Weg, der beschritten werden könne, sagte der Gewerkschaftsvertreter.

Professor Alexander Eisenkopf von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen vertrat die Auffassung, die Politik sollte sich auf ihre Kernaufgabe fokussieren, für eine auskömmliche Finanzierung der Infrastruktur zu sorgen, die offensichtlich im Wettbewerb der Verkehrsträger nicht eigenwirtschaftlich zu betreiben sei und daher als Daseinsvorsorgeaufgabe akzeptiert werden müsse. Gleichwohl müsse sich die Bahn im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern behaupten. Ab 2025 generell keine neuen Fernstraßenbauvorhaben in Angriff nehmen zu wollen, um alle Mittel auf die Schiene zu konzentrieren, gehe an der Realität der Verkehrsmärkte vorbei, urteilte er. Es müsse gelingen, die Schiene mit einem größeren Etat auszustatten, ohne die Straße zu vernachlässigen. Was die Frage der Trennung von Netz und Betrieb angeht, so betonte Eisenkopf, dass es dafür derzeit keinen politischen Willen gebe. Als Langfristziel halte er dies jedoch für richtig.

Eine Rückkehr zur Staatsbahn kommt laut Martin Henke vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen für die Eisenbahnbranche nicht in Frage. Sinnvoll und zu befürworten sei allerdings die Koppelung der Gewährung staatlicher Hilfen an klare Vorgaben und Kontrollmechanismen, die das öffentliche Interesse im Blick hätten. Erwägungen zu Organisationsänderungen bei Eisenbahnunternehmen sollten die Erfahrung berücksichtigen, dass Umorganisationen in Unternehmen notwendigerweise zu Kosten, Friktionen und anfänglich auch Ineffizienzen führen, gab er zu bedenken. Ob die mit der Umorganisation erzielbaren Vorteile diese Nachteile in für die Unternehmen sehr fordernden Zeiten aufwiegen, müsse zuvor gewissenhaft geprüft werden.

Regula Herrmann vom Bundesamt für Verkehr der Schweizerischen Eidgenossenschaft sagte, in der Schweiz sei es lange Zeit so gewesen, dass dem Personenfernverkehr der Vorrang gegolten und dann erst der Güterverkehr Beachtung gefunden habe. Jetzt gebe es ein zwischen den Verkehrssorten abgestimmten Konzept. Der Anteil aus Steuergeldern zur Finanzierung der Bahn sei pro Person deutlich höher als in Deutschland. Die Bevölkerung nutze die Bahninfrastruktur aber auch intensiv. "Wir sind ein Vielfahrervolk", sagte Herrmann. Wichtig sei es, die Verkehrsträger nicht gegeneinander auszuspielen, betonte sie. In der Schweiz fließen ihrer Aussage nach in den Fonds zur Finanzierung der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur mit Mineralölsteuern und Schwerverkehrsabgaben auch "Straßensteuern". Hintergrund dessen sei, dass auch die Straße davon profitiere, wenn sie durch die Schiene entlastet werde.